Weiter zum Inhalt

Einführung in börsengehandelte Produkte

Lektion 6 von 9

Was sind Faktor-Optionsscheine?

Faktor-Optionsscheine, engl. Contstant Leverage Certificates bzw. CLCs, sind eine transparente Möglichkeit für Trader, ihr Exposure in der täglichen Wertentwicklung eines zugrunde liegenden Basiswerts zu erhöhen. Sie werden in der Regel für das Intraday-Trading oder das Trading von Markttrends verwendet.

Sie können mit Faktor-Optionsscheinen eine Long- oder Short-Position einrichten, je nachdem, ob der Kurs des zugrunde liegenden Basiswerts Ihrer Ansicht nach steigen oder fallen wird.

Diese Instrumente verfolgen den Zweck, die tägliche Wertentwicklung eines zugrunde liegenden Basiswerts um einen bestimmten Hebelfaktor zu vervielfachen. Ihre Funktionsweise sieht vor, dass die prozentuale Veränderung des Werts eines Marktes am Ende eines jeden Handelstags mit dem von Ihnen gewählten Faktor multipliziert wird, weshalb sie manchmal auch als „Daily Leverage Certificates“ (DLC) bezeichnet werden.

Im Unterschied zu anderen Derivaten mit unflexiblen Hebelfaktoren, die von Anbietern festgelegt und aktualisiert werden (z. B. CFDs), bieten CLCs ein breites Spektrum von Hebelfaktoren, aus denen man am Markt auswählen kann. Das gibt Ihnen die Freiheit zu entscheiden, welchen Hebel Sie bereit sind einzusetzen, bevor Sie einen Trade eröffnen.

Ihre Möglichkeiten sind abhängig davon, welche Hebelfaktoren der Emittent anbietet – zum Beispiel 3, 5 oder 7. Bei diesen Beispielen bedeutet das, dass Sie für jeweils 1 €, den Sie für einen Faktor-Optionsschein ausgeben, denselben Gewinn oder Verlust erzielen können als wenn Sie 3 €, 5 € bzw. 7 € direkt für den zugrunde liegenden Basiswert ausgegeben hätten.

Zwar werden sowohl die Gewinne als auch die Verluste durch die Hebelwirkung verstärkt, Sie können Ihren initialen Kapitaleinsatz für einen Trade verlieren, aber nicht mehr.

Außerdem handelt es sich um Finanzinstrumente ohne Laufzeit, sodass sie kein Verfallsdatum haben. Ihre Position kann jedoch vom Zinseszinseffekt betroffen sein, wenn Sie sie über Nacht offen halten. Darauf werden wir weiter unten näher eingehen.

Verwendung von CLCs für das Intraday-Trading

Trader mit hoher Risikobereitschaft können CLCs verwenden mit dem Ziel, ihre erwarteten Renditen zu verstärken.

Stellen Sie sich vor, ein Konjunkturbericht steht zur Veröffentlichung an. Sie erwarten, dass die Zahlen in dem Bericht die Erwartungen übertreffen werden und der Kurs eines verbundenen Vermögenswerts – des Vermögenswerts ABC – steigen wird. Sie beschließen daher, einen Long-Faktor-Optionsschein zu kaufen.

Da Sie erwarten, dass der Kurs von ABC steigen wird, entspricht die Tagesperformance Ihres Long-Faktor-Optionsscheins der Tagesperformance des Vermögenswerts multipliziert mit dem Hebelfaktor.

Wenn Sie einen Hebelfaktor von 3 wählen und der Kurs von ABC nach Veröffentlichung des Berichts um 2 % steigt, würde der Wert Ihres Faktor-Optionsscheins um 6 % steigen.

Natürlich sollten Sie bedenken, dass sich die Hebelkonstante auch zu Ihren Ungunsten auswirken kann. Wenn die Zahlen des Berichts schlechter ausfallen als erwartet und der Kurs von ABC um 2 % sinkt, würde der Wert Ihres Faktor-Optionsscheins um 6 % sinken. Sie verlieren jedoch nie mehr als Ihren initialen Kapitaleinsatz.

Faktor-Optionsscheine können als Teil einer Hedging-Strategie für ein Portfolio genutzt werden. Wenn Sie Bedenken haben, ein geplantes Marktereignis könnte sich negativ auf eine Anlage in Ihrem Portfolio auswirken, könnten Sie den Kauf eines Short-Faktor-Optionsscheins am Markt in Betracht ziehen, um diesen erwarteten Verlust zu mindern.

Wenn zum Beispiel eine starke Korrelation zwischen Ihrem Portfolio und dem zugrunde liegenden Basiswert eines Faktor-Optionsscheins besteht, könnten Sie 10 % Ihres Kapitals für den Kauf eines Short-Optionsscheins mit dem Faktor 7 aufwenden – womit Sie potenziell rund 70 % Ihres Portfolios absichern könnten.

Halten von Faktor-Optionsscheinen für mehr als einen Tag

Wenn man einen Faktor-Optionsschein länger als einen Tag hält, verursacht das einen Prozess, den man als Zinseszinseffekt bzw. Compounding bezeichnet. Damit ist gemeint, dass die Erträge aus einem Vermögenswert – sei es aus Kapitalzuwachs oder Zinsen – wieder angelegt werden und im Laufe der Zeit weitere Erträge (oder Verluste) generieren.

Dies geschieht, weil der gewählte Hebelfaktor an jedem Tag, an dem Ihre Position offen ist, auf den Wert Ihres Faktor-Optionsscheins angewendet wird.

Beispiel

Nehmen wir an, Sie haben einen Faktor-Optionsschein für 100 € gekauft. Am Ende von Tag 1 ist sein Wert um 10 % gestiegen, was 10 € entspricht.

An Tag 2, an dem der Optionsschein gehalten wird, würde der zuvor erzielte Gewinn zum ursprünglichen Kapitaleinsatz von 100 € hinzugerechnet, sodass sich insgesamt 110 € ergeben. Nimmt man an, dass die Wertentwicklung des Optionsscheins an Tag 2 erneut 10 % erreicht, betrüge die Tagesrendite dann 11 €.

Wenn Sie sich also in Bezug auf den Markt long positioniert hatten, wäre Ihr Optionsschein dann 121 € wert, sodass Sie einen Gewinn von 21 € erzielt hätten.

Nachdem wir nun ein grundlegendes Verständnis davon gewonnen haben, wie der Zinseszinseffekt funktioniert, wollen wir uns eingehender mit diesem Prinzip beschäftigen und die Wertentwicklung eines zugrunde liegenden Basiswerts mit derjenigen eines Faktor-Optionsscheins mit einem Hebelfaktor von 10 vergleichen.

Szenario 1: Gewinne mit Zinseszinseffekt

Trading-Tag Preisänderung % Kurs des zugrunde liegenden Basiswerts Tägliche Preisänderung % x10 Wert des Optionsscheins mit einem Hebelfaktor von 10
Tag 0 100 10
Tag 1 +2 % 102 +20 % 12
Tag 2 +3 % 105,06 +30 % 15,6
Tag 3 -0,5 % 104,53 -5 % 14,82
Ergebnis +4,53 % +48,2%

Wenn die oben dargestellten Kursbewegungen alle an einem Tag stattgefunden hätten, wäre der Wert Ihres Optionsscheins um 4,50 % gestiegen (2 % + 3 % -0,5 %). Der Zinseszinseffekt hat jedoch in den drei Tagen, die der Optionsschein gehalten wurde, zu einem Gewinn von 4,53 % geführt.

Mit einem Hebelfaktor von 10 wird dieser Effekt noch weiter verstärkt. Hätten die Kursbewegungen alle an einem Tag stattgefunden, wäre ine Rendite von 45 % erzielt worden (20 % + 30 % - 5 %). Der Zinseszinseffekt über drei Tage hat uns zu einer Rendite von 48,2 % auf den Optionsschein verholfen.

Der Zinseszinseffekt trifft auf Verluste ebenso zu wie auf Gewinne. Schauen wir uns also ein Beispiel für Ersteres an.

Szenario 2: Verluste mit Zinseszinseffekt

Trading-Tag Preisänderung % Kurs des zugrunde liegenden Basiswerts Tägliche Preisänderung % x10 Wert des Optionsscheins mit einem Hebelfaktor von 10
Tag 0 100 10
Tag 1 +2,5 % 102,50 +25 % 12,5
Tag 2 -5 % 97,38 -50 % 6,25
Tag 3 -3 % 94,45 -30 % 4,37
Ergebnis -5,55 % -56,3 %

Wie beim Szenario der Gewinne mit Zinseszinseffekt könnte dieser Effekt auch unsere Verluste verstärken. Anstelle eines Rückgangs um 55,5 % aufgrund des Faktors 10 wäre der Wert des Optionsschein um 56,3 % gefallen.

Das bedeutet, dass Sie das gesamte Kapital verlieren könnten, das Sie für den Trade eingesetzt haben, daher könnte es sich empfehlen, Stop-Loss-Orders zu verwenden, um aus dem Markt auszusteigen, wenn Sie Ihr Kapital nicht riskieren möchten.

Schauen wir uns nun ein extremeres Szenario an, um den Unterschied zwischen Faktor-Optionsscheinen und CFDs zu verdeutlichen. Stellen Sie sich vor, der Zinseszinseffekt hat zu einem Verlust von 200 % geführt.

Bei CFDs könnten Sie wegen dieses Verlusts das gesamte Kapital auf Ihrem Konto verlieren. Bei Faktor-Optionsscheinen hingegen wäre der maximale Verlust auf Ihren initialen Kapitaleinsatz begrenzt.

Im Unterschied zu Faktor-Optionsscheinen gibt es beim Handel von CFDs einen Negativsaldoschutz.

Sie können damit zwar immer noch mehr Geld verlieren als Sie für die Eröffnung Ihres Trades eingesetzt haben, aber durch diesen Mechanismus werden Verlustpositionen automatisch geschlossen, sobald die Mittel auf Ihrem Trading-Konto ausgehen.

Bevor dies geschieht, erhalten Sie in der Regel „Margin-Call“-Warnmeldungen, mit denen Sie aufgefordert werden, eine Einlage zu tätigen, um Ihre Position(en) offen zu halten. Der Negativsaldoschutz greift nur für Kleinanleger, nicht für professionelle Kunden.

Beachten Sie: Je länger Sie einen Faktor-Optionsschein halten, desto stärker kann seine Wertentwicklung von derjenigen des zugrunde liegenden Basiswerts abweichen.

Zusammenfassung dieser Lektion

  • Faktor-Optionsscheine, engl. Constant Leverage Certificates (CLSs)) werden von Finanzinstituten ausgegeben und bieten hohe Transparenz und Liquidität
  • Sie können sich mit Faktor-Optionsscheinen long oder short positionieren.
  • Faktor-Optionsscheine ermöglichen ein höheres Exposure in zugrunde liegenden Basiswerten, wofür ein konkreter Hebelfaktor verwendet wird
  • Gewinne und Verluste werden verstärkt, der maximale Verlust wird jedoch auf Ihren initialen Kapitaleinsatz begrenzt. Es gibt keine Margin-Calls
  • Auch beim Trading von Faktor-Optionen laufen Sie Gefahr, Ihr gesamtes Kapital zu verlieren, was einen erheblichen Verlust bedeuten kann, wenn Sie einen großen Trade eröffnet haben. Sie könnten darüber nachdenken, zusätzliche Hilfsmittel zur Eindämmung des Risikos einzusetzen, zum Beispiel Stop-Loss-Orders.
  • Faktor-Optionsscheine werden in der Regel für kurzfristige Trades eingesetzt, können aber während starker Markttrends auch länger gehalten werden. In diesen Fällen unterliegen Gewinne oder Verluste dem Zinseszinseffekt
  • Mit Zinseszinseffekt bzw. Compounding ist der Prozess gemeint, dass die Erträge eines Vermögenswerts aus Kapitalzuwachs oder Zinsen wieder angelegt werden und im Laufe der Zeit weitere Erträge (oder Verluste) generieren.
Lektion abgeschlossen